Fachdialoge an der Schnittstelle von Chemikalienrecht und Abfallrecht
Ein Projekt des Umweltbundesamtes (FKZ 3720 33 303 0)
Viele wichtige Funktionen der heute am Markt befindlichen Produkte basieren auf den Eigenschaften gezielt dafür eingesetzter, chemischer Stoffe. Einige dieser Stoffe verfügen allerdings auch über gefährliche Eigenschaften, von denen unter ungünstigen Bedingungen Umwelt- und Gesundheitsrisiken ausgehen können.
Vor diesem Hintergrund wurde im Produkt- und Chemikalienrecht sowie im Abfallrecht in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Regelungen etabliert, die sowohl in der Eigenverantwortung der Marktakteure als auch durch staatliche Eingriffe umgesetzt werden. Im Rahmen rasch wachsender wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Stoffeigenschaften und möglicher Risiken unterliegen diese etablierten Schutzregelungen einem dynamischen Anpassungsprozess.
Aufgrund der verschiedenartigen Rechts-Systematiken und den vielschichtigen Anpassungsprozessen kommt es an den Schnittstellen zwischen den Regelungsbereichen des Abfall- und des Chemikalienrechtes derzeit zu Friktionen. Diese können wünschenswerte Marktentwicklungen und die Erreichung des angestrebten Schutzniveaus behindern sowie zu Rechtsunsicherheiten für die beteiligten Akteure führen.
Um die Herausforderungen für die beteiligten Marktakteure und den Vollzug der Regelungen besser zu verstehen und gemeinsam mit allen Beteiligten konkrete Ansätze für zukünftige Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, führt das Ökopol-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes zwischen Oktober 2020 und April 2022 ein Forschungsvorhaben (FKZ 3720 33 303 0) durch.
Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens „Dialoge an der Schnittstelle von Chemikalien- und Abfallrecht“ stand der fachliche Austausch mit Fachexpert*innen aus beiden Regelungsbereichen über die bestehenden Herausforderungen und möglichen Lösungsansätze.
In drei eigenständigen Dialog-Veranstaltungen wurden jeweils die spezifischen Aspekte
- zu den regulatorischen Herausforderungen an den Schnittstellen sowie
- zum Informationsfluss über den gesamten Lebens- und Abfallzyklus und
- zur Umsetzung der Abfallhierarchie
thematisiert.
Fachdialog 1: Verzahnung zwischen Chemikalien- und Abfallrecht IST-Stand, ergänzender Bedarf sowie Herausforderungen und Lösungsansätze
Sowohl in der Chemikalienregulierung als auch im Abfallrecht werden die Gefahren, die von Stoffen und Gemischen bzw. von Abfällen ausgehen können, geprüft und bewertet. Eine Einstufung/Klassifizierung von Chemikalien und Abfällen als „gefährlich“ führt in beiden Rechtsbereichen zu einer Priorisierung bei der Prüfung und Umsetzung entsprechender Rechtsfolgen inklusive des dahinterstehenden Risikomanagements zur sicheren Handhabung der anwesenden gefährlichen Inhaltsstoffe.
Die Regelungsgenstände und die Rahmenbedingungen im Chemikalien- und im Abfallrecht unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht. Neben einigen Gemeinsamkeiten in der Einstufung bestehen auch relevante Unterschiede in der Prüfung und Bewertung von Abfällen und Chemikalien sowie dem Ergebnis – einer Einstufung/Klassifizierung als „gefährlich“. An den Schnittstellen zwischen den Regelungsbereichen können daraus erklärungsbedürftige Abweichungen im Risikomanagement, rechtliche Unklarheiten und in einzelnen Fällen auch substanzielle materielle Unterschiede resultieren. Diese stellen sowohl die Marktakteure als auch die mit dem Regelungsvollzug befassten, staatlichen Stellen vor Herausforderungen.
Der systematische Austausch zwischen Fachexpertinnen und -experten aus den Behörden beider „Welten“ ist notwendig, um zu erkennen, in welchen rechtlichen Vorgaben oder praktischen Verfahren die relevanten Unterschiede begründet sind. Basierend auf einer systematischen Analyse des IST-Standes kann sachgerecht diskutiert werden, in welchen Bereichen durch verbesserte Abstimmungen, ein engeres Zusammenwirken oder stärker harmonisierte Regelungen am besten ggf. notwendige Verbesserungen der Schnittstellensituation erreicht werden.
Vor diesem Hintergrund wurde am 20.09.2021 der Fachdialog „Verzahnung zwischen Chemikalien- und Abfallrecht – IST-Stand, ergänzender Bedarf sowie Herausforderungen und Lösungsansätze“ durchgeführt.
Die Unterlagen der Veranstaltung stehen hier für Sie zum Download bereit:
Vorträge:
„Einführung und Begrüßung“ (Dirk Jepsen, Ökopol GmbH und Mareike Röhreich, Umwelbundesamt)
„Beobachtungen und Zusammenfassung“ (Dirk Jepsen, Ökopol GmbH)
Fachdialog 2: Informationsfluss zu bedenklichen Stoffen an den Schnittstellen von Chemikalien- und Abfallrecht – Anforderungen und Bedarf sowie Herausforderungen und Lösungsansätze
Das Wissen über die Art und den Gehalt an aus Umweltschutzsicht bedenklichen Stoffen in Produkten und damit auch den daraus nach der Produktnutzung entstehenden Abfällen ist eine grundlegende Voraussetzung für eine informierte Prüfung und Implementierung sachgerechter Risikomanagementmaßnahmen durch die Marktakteure an den verschiedensten Stellen im gesamten Lebenszyklus.
Innerhalb der primären Lieferketten gibt es sowohl rechtsverbindliche Anforderungen an die Informationsweitergabe als auch eine Reihe darüberhinausgehender vertraglicher Regelungen und Instrumente, die in der Praxis implementiert werden. Auch innerhalb der Abfallphase gibt es für Abfälle, die als „gefährlich“ klassifiziert sind, ein etabliertes System der Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Beteiligten.
Eine Herausforderung stellt für die Akteure der Abfallwirtschaft bislang allerdings das systematische Fehlen von Informationen zu den konkreten Gehalten an bedenklichen Stoffen in Erzeugnissen dar, die nach einer Nutzung zu Abfällen werden. Dies erschwert zum einen die Umsetzung angepasster Risikomanagementmaßnahmen und zum anderen werden die Gehalte bedenklicher Stoffe auch benötigt, um „informierte“ Sortier- und Behandlungsentscheidungen treffen zu können, um Sekundärmaterialien herzustellen, die den Qualitätsanforderungen für eine erneute Verwendung in Produkten entsprechen.
Vor diesem Hintergrund wurde am 23.09.2021 der Fachdialog „Informationsfluss zu bedenklichen Stoffen an den Schnittstellen von Chemikalien- und Abfallrecht – Anforderungen und Bedarf sowie Herausforderungen und Lösungsansätze“ durchgeführt.
Die Unterlagen der Veranstaltung stehen hier für Sie zum Download bereit:
Vorträge:
„Einführung und Begrüßung“ (Dirk Jepsen, Ökopol GmbH und Mareike Röhreich, Umwelbundesamt)
„Integration von Detektions- und Sortierfunktionen in Sortieranlagen“ (Naemi Denz, STEINERT GmbH)
Fachdialog 3: Stärkung der Abfallhierarchie – Entscheidungshilfen für die Auswahl von Behandlungswegen
Im europäischen und nationalen Kontext verstärken sich aktuell die politischen Impulse für das nachhaltige und zirkuläre Wirtschaften. Im Rahmen des EU Green Deal wurden bereits die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit und der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft veröffentlicht. Eine Initiative für die nachhaltige Gestaltung von Produkten ist in Vorbereitung.
Die politischen Vorgaben aus diesen Initiativen richten sich u.a. auf das Ziel einer schadstofffreien Umwelt. Zur Erreichung dieses Ziels sind die Prioritäten eindeutig und entsprechen den bisherigen Prinzipien:
- Das Vermeiden / die Verringerung der Verwendung von bedenklichen Stoffen und von (gefährlichen) Abfällen.
- Eine Abfallbehandlung, die möglichst große Mengen an Produkten einer (Vorbereitung zur) Wiederverwendung zuführt, die (aus stofflicher Sicht) sicher sind und die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
- Eine Abfallbehandlung, die möglichst große Materialströme in Sekundärmaterialien überführt. Dabei ist eine Kreislaufführung bedenklicher Stoffe entweder auszuschließen oder sicherzustellen, dass belastete Sekundärmaterialien nur in gut kontrollierten Anwendungen eingesetzt werden.
- Das Ausschleusen von Stoffen mit (besonders) gefährlichen Eigenschaften aus den Materialkreisläufen.
Um diese Ziele des EU Green Deal umsetzen zu können, brauchen die Akteure im Abfallsektor Orientierung darüber, wie sie mit Blick auf die Gehalte an bedenklichen Stoffen in den Abfallströmen die gesetzlich festgelegte Abfallhierarchie in der Praxis der Abfallbehandlung umsetzen können.
Vor diesem Hintergrund wurde am 28.09.2021 der Fachdialog „Stärkung der Abfallhierarchie – Entscheidungshilfen für die Auswahl von Behandlungswegen“ durchgeführt.
Die Unterlagen der Veranstaltung stehen hier für Sie zum Download bereit:
Vorträge:
„Umsetzung der Entscheidungskriterien in der Praxis“ (Thomas Hülsmann, VinylPlus Deutschland e.V.)
„Einschätzung aus der Sicht des Chemikalienvollzugs“ (Daniel Sättler, Umweltbundesamt) – diese Präsentation wurde aus Zeitgründen im Nachgang versendet